... ob die Erde wirklich rund ist
Der Herbst mit seiner Witterung hält Einzug und behindert unsere Weiterfahrt zu den Balearen die kleine Insel St. Pietro wächst uns ans Herz und lässt uns in der Marina Sifredi den Starkwinden trotzen Lagerungsschwindel nimmt mir die Orientierung und wünsche ich meinem ärgsten Feind nicht anregende schöne menschliche Begegnungen; Überlegungen die Atlantiküberquerung nicht in diesem Jahr zu starten Nach kurzem Zwischenstopp sechs Seemeilen vor St. Pietro erreichten wir am 19.9.2022 dieses bezaubernde kleine Eiland. Beim Einlaufen in den Hafen von Carloforte auf St.Pietro waren wir beide sofort in diesen Ort verliebt. Zu beiden Seiten des Hafens gibt es je eine Marina. Wir hatten uns auf Anraten des Australiers, den wir in Teulada auf Sardinien getroffen hatten für die rechts liegende Marina Sifredi entschieden. Zwei hilfsbereite Marineros begleiteten uns mit ihrem Dingi an den Steg und waren uns ganz unaufgeregt behilflich. Hier war wirklich etwas anders. Bürokratie wurde klein geschrieben. Wir regelten die Anmeldeformalitäten erst Tage später und bezahlten im Vergleich eine erschwingliche Liegegebühr. Die Menschen waren unaufgefordert unglaublich freundlich und hilfsbereit. Boote die dort lagen wurden bei aufkommenden Starkwinden, die wir in den 14 Tagen vor Ort häufig hatten, von den Marineros unaufgefordert vertäut und die Leinen kontrolliert . Irgendwie hatten sie ihre Marina sicher im Blick. Die Sanitäreinrichtung war super sauber und gepflegt von einer Putzfrau, die sich auch mit ihrem Job zu identifizieren schien und die Leute ansprach, wenn sie sich daneben benahmen. So standen wir bereitwillig morgens an und warteten bis die Putzfrau hinter jedem Gast sauber machte. Es bot Gelegenheit Kontakte zu knüpfen.
Wir waren zwei Wochen dort und die Menschen kannten uns und wir sie. Irgendwie fühlte sich das heimatlich und geborgen an. Als ich einmal meinen Schlüsselring verloren hatte und in unsere Ferreteria ging, die wir schon häufig besucht hatten, wünschte mir der Besitzer einen schönen Tag und schenkte mir das Teil. Ich war so perplex und erfreut, dass Menschen halt auch so miteinander umgehen können. Anders als sonst in Italien, wo der Tourist eher über den Tisch gezogen wird. Diese Mentalität war hier jedoch komplett anders. Eine andere Begegnung war zum Beispiel auf der nahegelegenen Werft, die zu unserer Marina gehörte. Ich radelte dort mit dem Fahrrad hin, um unseren Fender aufpumpen zu lassen und stand vor einem verschlossenen Zaun. Ein älterer Herr arbeitete an einem alten Boot, sah mich, wir kamen ins Gespräch, er holte den Schlüssel und ließ mich aufs Gelände, um sofort die jungen Marineros zu rufen, die mir helfen sollten. Gesagt getan: Fender aufgepumpt. Ich wollte bezahlen, der junge Mann winkte ab, „gern geschehen“. Ich radelte glücklich und zufrieden von dannen.
Peter war mit Motorölwechsel und bestellen eines neuen Raymarine Geräts beschäftigt. Die ankommenden Pakete lagen offen neben dem Marina Büro. Ja, hier kam nichts weg. Das habe ich auf Reisen so nur im Oman erlebt. Wir selbst bewegten uns so auch frei und völlig sicher. Ich schnappte mir unser Klappfahrrad und erkundete die Umgebung. Meine erste Ausfahrt führte mich in ganz abgelegene, einsame, hügelige Gegenden mit kaum Besiedlung. Ich fand ein schon geschlossenes Hotel an einem Steilufer und schließlich kam ich an eine abgelegene wunderschöne Badebucht, La Bobba genannt, mit einer kleinen Bar, wo ich mich ausruhte und erfrischte. Ich fuhr aufs Geradewohl und landete nach vier Stunden wieder in Carloforte mit all den schönen Eindrücken dieser schroff felsigen Insel. Das Ganze unternahm ich noch zweimal, besuchte die alte Thunfischfabrik La Tonnare, wo der berühmte Blauflossenthunfisch, wenn er im Mai, Juni eines jeden Jahres um die Insel schwimmt, in einer einzigartigen Fangmethode mit großen Netzen gefangen und geschlachtet wird. Dieser Tonno rosso wird dann in den Restaurants überall serviert oder kann in sehr teuren Dosen später als Souvenir mitgenommen werden. Ich bin im Mitnehmen von Besonderheiten ja meist nicht kleinlich, aber die kleine Dose kostete über 20 Euro. Das war uns einfach zu viel. Es muss aber wirklich etwas Besonderes sein. Das nächste Mal probieren wir es aus!
Ganz verdattert und auch angerührt bummelten wir weiter über das Fest und kauften uns eine Portion Couscous, die wir genüsslich an Bord verspeisten. Da Piet mit den Arbeiten am Motor noch nicht ganz fertig war, begab ich mich auf meinen dritten Fahrradlandausflug. Rund um die Salzseen radelte ich ins felsige Innenland, bis mich eine dunkle Wolkenwand mitten auf einem Hügel mit einzelnen Häusern in der Ferne erschreckte. Mit voller Kraft trat ich den Rückweg an, glücklicherweise viel bergab auf einer Schotterpiste. In knapp 40 Minuten erreichte ich den Steg, als ein gewaltiges Gewitter mit sturzbachartigem Regenschauer einsetzte. Puh, Glück gehabt. Aber irgendwie hatte ich zwei Tage später einen leichten Infekt und wenig später bekam ich einen Lagerungsschwindel vom Feinsten. Ich konnte mich kaum aufrichten, hatte keine eine Orientierung im Raum. Von einer Minute zur anderen war mir alles entglitten. Die Lagerungsübungen, die ich meinen Patienten/-innen immer gezeigt hatte, kosteten mich ordentlich Überwindung, da sich beim rückwärts Fallenlassen zunächst der Schwindel verstärkt bis man den Kopf auf die Gegenseite gedreht hat. Ich weiß jetzt, wie jämmerlich es sich anfühlt. Der Schwindel begleitete mich noch bis nach Mallorca und kam später noch einmal zurück. Da die Windverhältnisse mit ihren Starkwinden von vorne Richtung Mallorca anhielten waren wir 14 Tage auf St. Pietro. Erstmals diskutierten wir, ob es mit der Atlantiküberquerung dieses Jahr überhaupt noch etwas werden würde: die Argumente waren einmal die Zeitverzögerung, dann die Schönheit dieses Ortes!, meine noch nicht ausreichende Segelfertigkeit ( mit so einem erfahrenen Skipper, der alles kann, habe ich mich häufig drauf verlassen und nicht selber ausprobiert) und die Erschöpfung bei Piet selbst. Tja, diese Ehrlichkeit in der Abwägung kann es auch „schwindeln lassen“. Wir beschlossen den Druck heraus zu nehmen.
Wir verabschiedeten uns, und wir hoffen, beide irgendwann wieder zu treffen.
Am 4.10.2022 hatten wir unser Wetterloch um die 260 Seemeilen bei guten Winden anzugehen. Der Abschied von St. Pietro fiel uns beiden sehr schwer, weil die 14 Tage in dieser schönen Umgebung mit seinen Menschen uns so gefallen hat.
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März 2023
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