... ob die Erde wirklich rund ist
Unerwartete stürmische Überfahrt von Montenegro nach Süditalien: Das Meer als unser Lehrmeister; glückliches, übermüdetes Ankommen in Monopoli ; Apulien in seiner Vielfalt überraschend; Weiterfahrt nach Brindisi: wir liegen kostenfrei an der Hafenmole. Wir segelten bei strahlendem Wetter von Budva aufs offene Meer, uns am Fortgang unserer bisher längsten Strecke von 106 Seemeilen erfreuend. Beide Segel standen gut, alles sehr ruhig und gemächlich. Ich übernahm stundenweise das Steuer, konnte uns bei mäßigem Seegang ein wenig zu Essen bereiten. Den Funk ließen wir laufen und nachmittags hörten wir eine Mayday Meldung eines Schiffes, das bei Split wegen Sturms in Seenot geraten war. Ich war beunruhigt und fragte Piet, ob dieser Sturm irgendwie Auswirkungen auf unsere Route hätte. Er überprüfte wieder die Wetterdaten und verneinte. So segelten wir ruhig den ganzen Tag und allmählich in die Dämmerung hinein. Die Sonne war merkwürdig von einer Wolkendecke umhüllt, und es wurde mit der Dämmerung sehr wolkenverhangen dunkel um uns. Wie aus dem Nichts tat sich vor uns eine weiße Wolkenwand auf, eine sogenannte Böenwalze. Piet gab Anweisung Segel runter: wir hatten gerade das Großsegel im lazybag verstaut, da brach es auch schon los. Die Fock verhakte sich, Piet kappte die Schot. Mit Böen über 40 Knoten und Wellen, die sich immer weiter aufbauten stampfte und rollte unser Albatros durch die See. Wir waren stundenlang mittendrin.
Ich übernahm die Wache, Piet erholte sich etwas. Irgendwann bin ich an Deck wohl vor Schwäche eingeschlafen. Piet machte weiter und hatte dann ein Erlebnis der besonderen Art: mitten in diesem Unwetter tauchte eine Delfinschule um unser Boot auf und begleitete uns wohl so um die fünf Minuten. Wenn das mal nicht ein gutes Zeichen war. Schade, dass ich diese wunderbaren Tiere nicht gesehen habe. Das ausgedehnte Wetterleuchten bei mondloser, sternenreicher Nacht, die Wellenberge um uns herum waren auch ein Naturschauspiel. Jedoch so mittendrin hat es mir einen gewaltigen Respekt eingejagt. Angst konnte ich gar nicht entwickeln. Monopoli von unserem nächtlichen Ankerplatz aus. Dazu ging alles viel zu schnell. Das Meer bei aller Technik schreibt die Regeln und nicht wir. Das habe ich in dieser Nacht gelernt. Als wir am nächsten Tag um die Mittagszeit immer noch bei heftigem Seegang mit Wellen von der Seite in Monopoli ankamen, überkam mich eine große Dankbarkeit gut durchgekommen zu sein. Am Zollpier durften wir 24 Stunden bleiben. Wir schliefen uns zunächst aus. An diesem neuen Tag waren wir noch nicht in der Lage klar Schiff zu machen. Erst am nächsten Tag gingen die Aufräum–, Trocknungs- und Reparaturarbeiten los. Nun verstehe ich den Ausdruck klar Schiff machen im wahrsten Sinn des Wortes.
Es gefiel uns einfach hier. Insbesondere das abendliche Treiben mit Flanieren durch die Stadt. Nun wollten wir einen weiteren Tag bleiben und suchten verzweifelt die im Internet beschriebene Marina. Tja, und es sollte eine abbruchreife Werft sein, die wie ein Sammelschrottplatz aussah. Wir sprachen einen Mann dort an, und er bot uns an einem Sonntag einen Anlegerplatz im Travellift an. So sehen stattliche Nebenverdienste aus. Wo sollten wir hin, zum Ankern war es zu rau draußen, die Hafenpier war ausgereizt. Also hockten wir von drei Mauern umgeben sicher für 100 Euro an diesem Platz. Unter einem alten Boot versammelten sich Einheimische, sangen und plauderten, und wir mittendrin. Am Montagmorgen vor acht Uhr sollten wir den Platz verlassen haben, damit dort wieder Schiffe gekrant werden konnten. Wie im „Zwischenlager"; auf der Werft unter dem Kran für eine Nacht. Artig zogen wir um halb acht, uns auf engem Raum im Hafenbecken befindend, rückwärts aus unserer Lücke und segelten nach Brindisi. Die große Hafeneinfahrt mit riesen Tanks sehr industriell anmutend, auf der anderen Seite meerwärts ein Flughafen, dann aber auch ein rotes altes Kastell und weiter gen Altstadt ein bemerkenswertes aus hellem Kalkstein geformtes Marinedenkmal mit schönen Wohnanlagen drum herum. Uns eher mit den seglerischen Gegebenheiten auseinandersetzend, sind wir mal wieder angenehm von dieser Stadt überrascht: wir können kostenfrei an der Hafenmole festmachen. Wir übersehen dicke Ketten im Wasser, die uns, später entdeckt, einen langen Kratzer im Rumpf bescheren. Erst mal sind wir froh hier gut gelandet zu sein. Denn dieser Sturm sitzt uns doch noch irgendwie in den Knochen. Wir bleiben hier vom 1.-5.8., erkunden die Stadt, fahren mit dem Zug ins nahegelegene Lecce, wo es Barock-und Renaissancebauten in Hülle und Fülle gibt. Manchmal vermag ich mir die wechselnden Eindrücke kaum merken und so haben wir immer wieder Tage mit wenig Aktivität dazwischen. Wenn ihr euch vielleicht fragt, wie es uns emotional geht, dann muss ich sagen, wir kommen in einen anderen Lebensrhythmus. Das Gefühl von Zeit haben, durch keine Verpflichtungen oder Termine eingeengt zu sein, ist ein für mich ganz ungeahntes Freiheitsgefühl. Zu zweit auf relativ engem Raum regelt sich recht gut: jeder hat seinen Freiraum und vieles macht einfach zusammen im Erleben viel mehr Spaß. Ich bin sehr gespannt, wie es sich auf die Länge der Reise entwickelt.
Piet kennt dieses Segelgebiet gar nicht. Weiter soll es mit Zwischenetappen nach Sizilien gehen. Über Otranto mit seinen verwinkelten Gässchen und unseren Erlebnissen erzähle ich im nächsten Bericht.
Vielleicht gebt Ihr uns einmal Rückmeldung und erzählt einfach einmal, wie es zu Hause so weiterläuft. Bis zur nächsten Woche liebe Grüße von Peter und Gundula
3 Kommentare
Manfred Reuter
8/23/2022 17:12:37
Krasse Wetterbilder! Das war wohl sehr spannend. Viele Grüße und gute Weiterreise! Gruß Mani
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Klaus Mangold
8/23/2022 17:34:47
Bei uns gibt es nicht so Aufregendes
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Tina P.
8/23/2022 17:59:47
Liebe Gundula, mein Wochenblatt im Kalender erinnert mich daran, mir Zeit für Menschen zu nehmen, die für mich wertvoll sind - wie könnte ich da anders, als Dir/ Euch für die wunderbaren Berichte und Fotos zu danken!
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